Meinung und Satire
Rund um die Psyche
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letzter Ausweg:Suizid/Selbstmord

 Suizid

Nur wer mich begleitet auf meinem Weg durch das dunkle Tal, bis tief in die Niederungen der Dunkelheit, kann mich hinübergeleiten ins Licht.

Auch in unserer doch so offenen, freien Gesellschaft gibt es Themen, über die nicht gerne gesprochen wird. Suizid gehört sicherlich dazu. Obwohl Suizid in den westlichen Gesellschaften zu den 10 Haupttodesursachen gehört und damit z.B. auch die Anzahl der Drogentoten weit übersteigt, wird diesem Thema kein entsprechender Stellenwert eingeräumt. Suizid gilt vielfach immer noch als “peinlich” und die Schuldfrage will sich hinterher niemand gerne stellen. Mancher Selbstmord erscheint in keiner Statistik, wird als Unfall oder ungeklärte Todesursache abgehakt, weil dies für alle Beteiligten die gesellschaftlich verträglichere oder wahrscheinlichere Todesart ist. Bedenkt man, dass schätzungsweise etwa 75% der Suizide direkt oder indirekt angekündigt werden, überrascht die trotzdem so hohe Zahl der “erfolgreichen” und die noch viel höhere Zahl der missglückten Versuche.
Per Definition zählen hier nur die Fälle, in denen eine aktive Intention zur Beendigung des eigenen Lebens vorliegt. “In Kauf genommene” Selbsttötungen durch Alkohol-/Drogen- oder Medikamentenmissbrauch oder psychische Störungen wie z.B. Magersucht zählen damit nicht als suizidales Verhalten. Zusätzlich wird von einer relativ hohen Dunkelziffer nicht erfasster Suizide/-versuche ausgegangen und in vielen Fällen ist nicht zu klären, ob z.B. ein Verkehrsunfall aus Unachtsamkeit oder aber doch Absicht vorliegt.

Um es noch mal drastisch vor Augen zu führen. Durch Suizid wird jedes Jahr eine Kleinstadt ausgelöscht.

                                        Suizid in Zahlen:

Vorweg: Die Zahlen in Bezug auf dieses Thema sind starken Schwankungen unterworfen und Angaben wie 5-50mal so hoch oder 1-2 Drittel sind üblich. In stark katholisch geprägten Gebieten wird die Statistik evtl. anders ausgeprägt sein als in Japan, wo Suizid noch als ehrenvoll gilt. Deswegen können die Zahlen auch nur als Anhaltspunkt dienen, was aber auch ausreicht, um sich einen Überblick zu verschaffen. Daraus lässt sich aber auch ersehen, wie schwierig dieses Thema ist, bzw. wie weit die Suizidforschung der Notwendigkeit hinterherhinkt.

Suizid zählt in den westlichen Ländern zu den 10 Haupttodesursachen. In den jüngeren Altersgruppen stellen sie nach den Verkehrstoten sogar die zweithäufigste Todesursache dar.
Weltweit schätzt die WHO jährlich über eine halbe Mio. Todesfälle.
Die Suizidraten schwanken von Land zu Land beträchtlich (eine einigermassen genaue Statistik vorausgesetzt). Russland, Dänemark,China,Japan, Finnland,Belgien,Österreich weisen z.B. recht hohe Raten auf (1999 ca. 20 Suizide auf 100.000 Einwohner). Ägypten,Mexiko,Griechenland lagen 1999 bei etwa  5/100.000.
Im Jahr 2019 begingen in Deutschland nach Angaben des statistischen Bundesamtes
9041 Personen Suizid, davon 76% Männer, wobei die Zahlen glücklicherweise in den letzten Jahren konstant rückläufig sind. So gab die offizielle Statistik 1980 noch 18451 Suizidopfern an.
Allerdings ist diesen Zahlen eine nicht einzuschätzende Dunkelziffer hinzu zu rechnen, da evtl. nicht jeder Selbstmord auch als solcher in der Statistik erscheint.

Signifikant ist der Unterschied zwischen Männern und Frauen. Wesentlich mehr Männer begehen Suizide, während andererseits wesentlich mehr Frauen Suizidversuche ohne tödlichen Ausgang verüben. Grund hierfür scheint die unterschiedliche Art der Suizide zu sein. Während Männer häufiger sog. harte Suizidmethoden anwenden (Erhängen, Sprung aus der Höhe) sind bei Frauen häufiger  weiche Suizidmethoden (z.B. Tabletten) anzutreffen.

Die Anzahl der Suizidversuche ohne tödlichen Ausgang wird etwa 10mal so hoch geschätzt, wobei vor allem hier von einer hohen, nicht erfassten Dunkelziffer auszugehen ist.

Innerhalb eines Jahres nach dem ersten Suizidversuch begehen 10-20% der Personen einen weiteren, innerhalb von 2 Jahren bis zu 35%.

Schätzungsweise 50% der Suizidalen suchen 1 Monat vorher einen Arzt auf, 25% 1 Woche vorher. Dabei erfolgt aber meistens keine direkte Ansprache der Suizidabsicht, diese wird daher oft nicht als solche erkannt.

Etwa 75% der Suizide werden direkt oder indirekt (z.B. über Verhaltensveränderungen oder Anspielungen wie: “bald habe ich das alles hinter mir”) angekündigt.
Spontane Suizide ohne jegliche Veränderung im Vorfeld sind dementsprechend selten. Der eigentliche Vollzug des Suizid ist aber in den meisten Fällen trotzdem als spontane Handlung und Reaktion auf eine scheinbar nicht mehr zu bewältigende Situation anzusehen.   

Das Suizidrisiko steigt mit dem Alter. In der Altersgruppe ab 65 ist die Suizidrate etwa 2-3mal höher wie in der Altersgruppe um die 20 Jahre.
Bei kleinen Kindern sind Suizide relativ selten (BRD 2019 22 Kinder unter 15 Jahren, in den USA etwa 500 Kinder jährlich), bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen aber nach Unfällen eine der häufigsten Todesursachen (BRD 2019 449 Personen zw. 15 u. 25 Jahren).
Im Vergleich zu 1950/1999 z.B. aber ist die Suizidrate bei Kindern wesentlich gestiegen.
Auch die Suizidrate bei Jugendlichen/jungen Erwachsenen hat sich in den letzten Jahrzehnten mehr als verdoppelt. Die Zahl der Suizidversuche ist in diesem Bereich drastisch höher als die der eigentlichen Suizide. -bis zu 200 zu 1-

Das höchste Risiko wird in der Gruppe der affektiven Psychosen angesiedelt. Gerade an Depressionen leidende haben ein sehr hohes Suizidrisiko. Schätzungsweise 15% der schwer Depressiven begehen Suizid. Ein ebenfalls erhöhtes Risiko tragen an Schizophrenie oder auch anderen psych. Störungen erkrankte.
Auch körperliche Erkrankungen wie Aids, Krebs, chronische Erkrankungen, Lähmungen erhöhen naturgemäss das Suizidrisiko.

Weitere Risikogruppen sind Alkoholiker und vor allem Medikamenten- oder Drogenabhängige.
Das Suizidrisiko wird hier in der Literatur mit bis zu 50mal höher angegeben als in der Durchschnittsbevölkerung.

Eine Verbindung kann auch zur sozialen Situation hergestellt werden. Soziale Isolation (geschieden, ledig, verwitwet) scheint das Risiko zu erhöhen ebenso wie z.B. Arbeitslosigkeit und Zugehörigkeit zu “unteren” Gesellschaftsschichten. Im Grossstadtbereich sind die Raten höher wie im ländlichen Bereich.

Zwischen 40% und 80% der Bevölkerung haben sich in ihrem Leben zumindest thematisch schon einmal mit Suizidvorstellungen beschäftigt

kontrovers: mit zunehmendem Wohlstand nahm auch die Zahl der Suizide in Deutschland zu
Die Suizidrate ist eher höher als in Ländern mit niedrigerem Lebensstandard. Suizid scheint auch ein Problem falscher Ziele, fehlender Selbstverwirklichung und fehlendem Glauben zu sein. Überwiegend niedriger ist die Rate in Ländern mit tiefverwurzeltem, religiösen Glauben. Wohlstand und Geld scheinen so gesehen nicht allein glücklich zu machen, sondern im Gegenteil verantwortlich zu sein für das setzen falscher Lebensziele.

               Warum begehen Kinder und Jugendliche Selbstmord?

Suizid,Selbstmord? Warum?Diese Frage bleibt in den meisten Fällen unbeantwortet oder die beschämende Antwort bleibt unausgesprochen. Nur wenige Jugendliche hinterlassen einen Abschiedsbrief. Und natürlich ist dieses Thema zu umfangreich, um hier mehr als nur ein paar oberflächliche Betrachtungen anzustellen.

Und vielleicht macht man es sich auch zu leicht, immer eine psych. Erkrankung als Erklärung vorzuschieben. Sicherlich kann dies auch bei Kindern bzw. Jugendlichen der Fall sein. Auch Jugendliche können bereits an Depressionen oder anderen psych. Leiden erkrankt sein. Doch kann dies sicherlich nicht immer eine ausreichende Antwort sein. Denn wie verzweifelt muss ein Jugendlicher sein, dass ihm der Tod erträglicher erscheint als das Leben. Eine zugegeben erschreckende Vorstellung.
Verfolgt man die Diskussionen, wird vielfach unterschieden zwischen Auslöser und Ursache.
Auslöser ist oftmals eine krisenhafte Situation, alltägliche Probleme die sich wie ein unüberwindbarer Berg auftürmen bzw. die in ihrer subjektiven Einschätzung unrealistisch negativ besetzt werden. Also durchaus auch Situationen, die dem objektiven Betrachter keineswegs aussichtslos erscheinen. Oder eine sich zuspitzende familiäre Situation, ein Todesfall oder vielleicht eine schwere Erkrankung.

Aber abgesehen von erschütternden, traumatischen Erfahrungen reichen doch viele Krisensituationen nicht aus, um einen Suizid wirklich glaubhaft nachvollziehen zu können. Vielmehr ist die Frage zu stellen: Warum war der Betreffende nicht in der Lage, mit der Krise umzugehen? Oder vielleicht sogar: Warum hat er in seiner familiären Umgebung, in seinem sozialen Umfeld nicht genügend Halt gefunden?
Und warum begehen andere Jugendliche in vergleichbarer Situation eben keinen Suizid?
Und in diesen Bereich gehört sicherlich auch die Frage, warum bereits Jugendliche Alkohol- oder Drogenabhängig werden.

Hier liegt die Vermutung nahe, dass die eigentliche Ursache in der Regel tiefer liegt, weiter in der Zeit zurück. Nur die wenigsten Suizide können letzten Endes ursächlich alleinverantwortlich zurückgeführt werden auf gravierende Ereignisse in der Gegenwart. Vielmehr sind die Ursachen bereits in der frühen Kindheit zu suchen, in der Persönlichkeitsentwicklung oder fehlender Sozialisierung. Einer über längere Zeit fehlgeleiteten Entwicklung.

Mögliche, mitverantwortliche Misstände könnten hierbei sein:
-ständiges Misstrauen gegenüber dem Kind, mangelnder Aufbau eines Selbstbewusstseins
-ständige Kritik
-angstfördernde Erziehung
-zu hohes Anspruchsdenken
-gestörte Familienverhältnisse, Alkoholprobleme
-Gewalt, Unterdrückung eines freien Willens, Missbrauch
-ein rein auf Leistung getrimmtes Schulsystem, mangelnde Betreuung und Förderung
- und vieles mehr
wodurch in der dauerhaften Entwicklung der Grundstein gelegt für eine krisenanfällige Persönlichkeit, die im späteren Leben mit eben jener auslösenden Krise nicht mehr zurechtkommt. Eine Persönlichkeit mit Defiziten in der Problembewältigung und vielleicht auch fehlender Einbindung in ihr soziales Umfeld. So dass im Krisenfall eben die normalen Bewältigungsstrategien versagen.

Meine Meinung:
Wir machen uns zwar im Moment Gedanken darum, dass es zu wenige Kinder gibt, prognostizieren ein Aussterben der deutschen Bevölkerung und der Rentenkasse. Doch scheinen wir nicht einmal in der Lage zu sein, diesen wenigen Kindern und Jugendlichen eine angemessene Erziehung und Ausbildung angedeihen zu lassen. Es fehlt an Lehrern, Ausbildungsplätzen, Betreuungseinrichtungen ausserhalb der Schule. Unser Unterricht findet immer noch frontal in viel zu grossen Klassen statt, Auswendiglernen und Ellenbogenmentalität statt kreativer Förderung und Teamarbeit steht auf dem Lehrplan, es fehlen Mittel für Bücher, Schwimmbäder und Computer, Spielplätze und sonstigem. Nach Pisa war die Reaktion eines Lehrers: Jetzt müssen wir verstärkt auf Grammatik achten, mehr Tests zur Überprüfung des Wissensstandes schreiben. Vielen Lehrern wurde zwar Wissen vermittelt, aber nicht, wie man es kindgerecht weitergibt. Es reicht nicht, wenn Lehrer ihren “Stoff” beherrschen, sie müssen auch in der Lage sein, diesen pädagogisch aufbereitet weiterzugeben. Kinder wollen etwas leisten, gefördert werden, aber nicht stur auswendig lernen. Andererseits überlassen anscheinend immer mehr Eltern die Erziehung ihrer Kinder den Schulen, was weder möglich noch sinnvoll ist. Immer mehr Lehrer benötigen selbst therapeutische Hilfe. Das Studium hat sie auf alles vorbereitet, nicht aber auf 30 lernunwillige, gewaltbereite, 7 Sprachen sprechende Hauptschüler ohne Unterstützung der Eltern.
Es fehlt der frühere Halt der Grossfamilie, Fernsehen und Computerspiele leisten einen oft fragwürdigen Beitrag zur Werteentwicklung unserer Kinder. Gewalt gilt viel zu oft als angemessenes Mittel zur Konfliktlösung. Die Religion und andere haltgebende Rituale spielen nur noch eine untergeordnete Rolle. Wir schauen gerne zu, wenn im Fernsehen Familien ihre Probleme millionenfach publizieren, schauen aber weg, wenn der Nachbar mal wieder betrunken sein Kind prügelt.
War es früher selbstverständlich, Kinder zu haben, gelten diese Heute oft als Ballast. “Erst Karriere, erst das Leben geniessen und vielleicht dann “ hört man immer öfter. Doch mit den Kindern, Ritualen und Werten stirbt auch unsere Gesellschaft.
 
Selbstverständlich bietet unsere offene Gesellschaft Kindern und Jugendlichen aber auch vielfältigere Entwicklungsmöglichkeiten, wächst eine neu Generation Lehrer heran, die den Namen Pauker nicht mehr verdienen. Wir müssen nicht pessimistisch in die Zukunft schauen, aber die strukturellen und sozialen Veränderungen unserer Gesellschaft machen es noch mehr als früher notwendig, Kinder zu stabilen, selbstbewussten Persönlichkeiten reifen zu lassen, die mit den hohen Anforderungen unserer Gesellschaft an Flexibilität, Mobilität, Teamfähigkeit und was sonst noch an Schlagworten durch die Medienlandschaft geistert zurechtkommen, ohne eben zu wohlstandsorientierten Einzelkämpfern zu entarten..
Das in unserer Wohlstandsgesellschaft die Suizidrate sichtbar höher liegt als in unterentwickelten, armen Ländern, sollte uns zu Denken geben. In den westlichen Ländern stirbt kein Jugendlicher mehr an Unterernährung, dass so viele Jugendliche Suizid begehen, sollte uns aber an den Werten unserer Gesellschaft zweifeln lassen. Deswegen sollten wir uns nicht ausschliesslich Gedanken um die Zahl der neugeborenen Kinder machen, sondern mehr noch darüber, was wir Ihnen ausser einem Handy noch an Unterstützung für ein erfülltes Leben mitgeben können. Dazu gehören Liebe, Zuwendung, Unterstützung, das Aufzeigen von Grenzen, genügend Spielraum zur persönlichen Entfaltung, ein Bündel moralisch vertretbarer Werte und vieles mehr. Wenn so oft über unsere heutige verrohte und gewaltbereite Jugend gesprochen wird, muss man klipp und klar sagen: Kinder kommen nicht als fertige Persönlichkeit auf die Welt, sie ahmen ihre Umgebung nach, werden von ihr geformt. Dieser Verantwortung müssen wir uns bewusst sein, wir heisst alle: Politik, Schule, Eltern, Beratungsstellen und alle, die auf die Entwicklung von Kindern Einfluss nehmen.

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