Rotkäppchen - wie es der Beamte erzählt     -lupus beamticus
Im Kinderanfall unserer Stadtgemeinde ist eine hierorts wohnhafte noch unbeschulte Minderjährige aktenkundig, welche durch ihre unübliche Kopfbekleidung gewohnheitsrechtlich Rotkäppchen genannt zu werden
pflegt.

Der Mutter besagter R. wurde seitens deren Mutter ein Schreiben zugestellt, in welchem dieselbe Mitteilung ihrer Krankheit und Pflegebedürftigkeit machte, worauf die Mutter der R. dieser die Auflage machte, der Großmutter eine Sendung von Nahrungs- und Genußmitteln zu Genesungszwecken zuzustellen. Vor ihrer Inmarschsetzung wurde die R. seitens ihrer Mutter schulisch über das Verbot betreffs Verlassens der Waldwege auf Kreisebene belehrt. Dieselbe machte sich infolge Nichtbeachtens dieser Vorschrift straffällig und begegnete beim Übertreten des diesbezüglichen Blumenpflückverbots einem polizeilich nicht gemeldeten Wolf ohne festen Wohnsitz. Dieser verlangte in unberechtigter Amtsanmaßung Einsichtnahme in das zu Transportzwecken von Konsumgütern dienende Korbbehältnis und traf in Tötungsabsicht die Feststellung, daß die R. zu ihrer verschwägerten und verwandten im Baumbestand angemieteten Großmutter eilends war.

Da wolfseits Verknappungen auf dem Ernährungssektor vorherrschend waren, faßte er den Beschluß, bei der Großmutter der R. unter Vorlage falscher Papiere vorsprachig zu werden. Weil dieselbe wegen Augenleidens krankgeschrieben war, gelang dem in Freßvorbereitung befindlichen Untier die diesfallsige Täuschungsabsicht, worauf es unter Verschlingen der Bettlägerigen einen strafbaren Mundraub zur Durchführung brachte.

Ferner täuschte das Tier bei der später eintreffenden R. seine Identität mit der Großmutter vor, stellte derselben nach und durch Zweitverschlingung der R. seinen Tötungsvorsatz erneut unter Beweis. Der sich auf dem Dienstgang befindliche Waldbeamte B. vernahm Schnarchgeräusche und stellte deren Urheberschaft seitens des Tiermauls fest. Er reichte bei seiner Dienststelle ein Tötungsgesuch ein, das dortseits zuschlägig beschieden und pro Schuß bezuschußt wurde. Nach Beschaffung einer Pulverschießvorrichtung zu Jagdzwecken gab er in wahrgenommener Einflußnahme auf das Raubwesen einen Schuß ab. Dieses wurde nach Empfangnahme des Geschosses ablebig. Die gespreizte Beinhaltung des Getöteten weckte in dem Schußgeber die Vermutung, wonach der Leichnam Personen beinhalte. Zwecks diesbezüglicher Feststellung öffnete er unter Zuhilfenahme eines Messers den Kadaver zur Einsichtnahme und stieß hierbei auf die noch lebhafte R. nebst Großmutter. Durch die unverhoffte Wiederbelebung bemächtigte sich beider Personen ein gesteigertes, amtlich zulässiges Lebensgefühl, dem sie durch großen Unfug, öffentliches Ärgernis, erregenden Lärm und Nichtbeachtung anderer Polizeiverordnungen Ausdruck verliehen, was ihre Haftpflichtmachung zur Folge hatte.

Der Vorfall wurde von den Kulturschaffenden Gebrüder Grimm zu Protokoll genommen und schwerbekinderten Familien in Märchenform zustellig gemacht.

Rotgaebbchen-wie man es in Sachsen erzählt
                                                     lupus sachsicus

Da war aemal ae gleenes niedliches Maedchen. Das grichte von seiner Grossemudder aenne feierrote Samtgabbe mit aenner Bummel dran. Drin sah de Gleene so schnaerblich aus, dasse barduh geen andern Bibbi maehr uffsetzte. Un so gams, dasse von dr ganzen Nachbarschaft Rotgaebbchen genannt wurde.

Eenes Dages sagte de Mudder zu dr Gleenen:
"Gomm, mei Gind, nimm hier das Henkelgaerbchen un brings naus bei de Grossemuder. Se hat aehmd telefoniert, dassrch gar nich hibsch is heite."
"Was isn da drinne im Gorbe?" fragte Rotgaebbchen.
"Aenne Flasche Abbelwein, aenne Biggse Eelsardin' un aenne Baebe (Saechsisches Nationalgebaeck). Dassde mir aber nich etwa unterwaechens am Guchen rumgnaubelst! Wenn de Hunger hast, issde deine Baemmchen mit Gunsthonich, verschtanden?"
Rotgaebbchen verschrach scheene zu folchen un hubbste frehlich in dn Frielink naus. Wiese nach aenner Vaertelschtunde im Walde drinne war, gam ploetzlich ae Wolf angelaascht. - Was das fier Dier is, wolltr wissen? - Nu schtellt eich aemal Baezolds Garo vor, denkt eich noch ae Schtickchen dran, drzu ae viel schbitzern Gobb un gliehende Oochen - un da habtr ae Woelf.

So a Viech gam also ausn Busche un meente: "Bei waen willstn, Rotgaebbchen?"
"Bei de Grossemudder."
"Nu weesste, da waerd'ch awer daer alten Frau ae baar Bliemchen mitnaehm. Das geheert sich eenfach so fier ae gebildetes Enkelgind."
"De hast eechentlich recht", sagte Rotgaebbchen, schtellte ihrn Gorb unter aenne Danne un bickte sich nach Anemon' un Briemeln.
Se hatse awer nich gleich mitr Wurzel rausgerubbt wie ihr, sondern jedes eenzelne sachte abgegnibst. De Wolf feixte in sich nein un saebbelte naus bei de Grossemudder. Dort schbrangr mit een Satz ins Heischen, sauste durch die gute Schtuwe un dann hinter in de Gammer un verschlang de alte Frau.

Se hatte iwerhaupt nich Zeit, um Hilfe zu brilln, da sasse schon drinne im Wolfsbauche. Na un da warsch nadierlich zu schbaete. Hieruff groch das beese Dier ins Bette nein, deckte sich bis nuff zu un schtilbte sich dr Grossemudder ihre lilane Nachtmitze iwersch Gesichte. Nach aenner Weile gam Rotgaebbchen un wunderte sich, dass de Diere uffschtand. Nu, wahrscheinlich dud de Grossemudder grade liften, dachte se dann un lief nein in de Gammer. Da fielr nu gleich uff, dass de de alte Frau heite so ae faerchterlich grossen Mund hatte.
"Awer meine gude Grossemudder" meente se, "wie siechste denne aus? De hast wohl de Maulschbaerre gegricht?"
Sie beichde sich ae bisschen diefer iwersch Bette. Da riss dr Wolf den Rachen uff un waerchte ooch noch 's gleene Maedchen nunter. De Grossemudder rickte ae Haebbchen beiseite, un nu sassense alle beede drinne. Wenn mr wenichstens de Baebe mit haetten, daechte Rotgaebbchen. Awer reden gonnte se nischt, denn de Luft war gans dick un schnierte ihr de Gaele zu. Dr Wolf schlief nach daem Reggordfriehschtick ein un schnarchte so laut, dass draussen de Boomschtaemme waggelten.

Da gam ae Jaecher angeleiert, heerte das Schnarchen un dachte: "Ich gann mr nich haelfen: Das is doch direggt unweiblich von daer alten Frau, so druflos zu rasseln!"
Dann ginkr nein ins Heischen un maerkte nadierlich gleich, wen'r da im Bette vor sich hatte.

"Habbch dich endlich erwischt, du fraecher Gedatte!" riefr, holte aus dr Giche dr Grossemudder ihre Gefliechelschaere un schnibbelte behutsam dn Wolfbalch uff. Das war nu vielleicht aenne Freide, wie die beeden wieder ans Dageslicht gegollert gam! De alte Frau butzte ihre Brille, die da drinne gans angeloofen war, un Rotgaebbchen schtobbte dn Wolfsbauch voll Brigetts ausn Gohlngasten un naehte dann das beese Dier wieder zusamm. Un wie nu dr Wolf uffwachte un sich heimlich ausn Schtaube machen wollte, blumbstr dod uffn Bettvorlecher.

De Grossemudder, Rotgaebbchen und dr Jaecher tranken dn Abbelwein, machten sich iwer de eelsardin un deilden sich in de Baebe. Se warn saehre froh, dass de Sache noch so scheen abgeloofen war.

Nu naehmt eich draus aenne Lehr - besonders ihr Maedchen: s is immer besser, ae weibliches Wesen gimmte sich iwerhaubt nich drum, wennse unterwaeches eener angewasselt, denn mr gann nie wissen, was drhinterschteckt.

                Rotkäppchen in der Scene 
-lupus koksicus

Da wa ma ne echt coole Frau, die hatte sich die Haare mit Henna gefärbt, da hieß sie überall nur noch Rotkäppchen. Die wohnte bei ihren Alten wegen der Kohle, auf Malochen hatte sie Null Bock. Aber die Alten machten total Terror von wegen Jobben oder so. Emotional lief da sowieso nichts mehr, und ne Zweierkiste hatte sie auch gerade nicht am Laufen.

Da sagte sie sich: "Hier wirste nich alt, und überhaupt is Action angesagt" und machte sich vom Acker zu ner befreundeten Land-WG, die hatten mitten im Wald en irres Haus aufgerissen, von so ner kranken Oma. Bei Karstadt in der Reformabteilung klaute die Frau noch ne Packung Müsli und ne Flasche okzitanischen Bio-Wein und trampte dann los. Klappte auch alles ganz locker, nur das letzte Stück ging sie zu Fuß durch den Wald. Da kam ein total ausgeflippter Typ angelatscht, ganz schön beknackt, sag ich dir, Wolfgang hieß der oder so, is ja auch egal. Der Typ hing so rum, laberte was von nem Blumenstrauß und ner Großmutter und wo die denn wohnen würden.

Die Frau war echt genervt und kriegte wahnsinnige Aggressionen: "Also, ich find das unheimlich Scheiße oder so. Das ist ja wohl die Härte, wie du mich hier so repressiv anmachst, da läuft echt Null!" Der abgefuckte Freak brauchte ne Weile, bis er das geschnallt hatte. Der war total geschockt. Dann verpisste er sich, war wohl en echter Hammer für den, indentitätsmäßig oder so, der hing völlig durch für en paar Wochen, war aber bestimmt en wichtiger Lernproßez. So kriegt der ja nie en Bein auf die Erde, wa?

Un die Frau, die hat sich voll eingebracht in die Land-WG, die waren alle unheimlich lieb und spontan. Hab ich alles von dem Wilhelm gehört, das ist der Bruder vom Jacob. Die beiden Typen erzählen vielleicht heiße Stories. Echt irre, ehrlich!