Meinung und Satire
Rund um die Psyche
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Rückbesinnung auf den eigenen Körper

Autogenes Training ist eine aus Hypnose hervorgegangene Entspannungs- und Konzentrationsmethode. Sie geht zurück auf den Berliner Nervenarzt Prof.Dr. J.H.Schultz, der Anfang des 20.ten Jahrhunderts herausfand, dass es Menschen gibt, die ihren Körper eigenständig in einen tranceähnlichen Zustand versetzen können. !932 stellte er das Verfahren erstmals in seinem inzwischen als Klassiker zu bezeichnenden Buch -Das autogene Training- vor. Im Gegensatz zur Hypnose ist dies ohne Fremdbeeinflussung möglich, daher auch der Name: autogen im Sinne von “selbst entwickeln, gestalten” A.T. ist konzentrative Selbstentspannung durch Autosuggestion.

Sinn des autogenen Trainings ist das Erreichen eines schlafähnlichen, tiefen Ruhezustandes, in dem beruhigend Einfluss genommen wird auf die wesentlichen vegetativen Funktionen -Herzschlag,Atmung,die Spannung der Körpermuskulatur und der Blutgefässe,Blutdruck,die elektrische Aktivität des Gehirns-. In diesem Zustand zwischen Wachbewusstsein und Tiefschlaf erhält der Körper die Möglichkeit der effektiven Erholung. Der  ständige Kreislauf von Unruhe-Anspannung-körperlichen Beschwerden-Angst-erhöhter Unruhe-etc. kann unterbrochen werden. Der Schlaf selber ist nicht Ziel des Trainings, sondern vielmehr die schon erwähnte erholsame Phase zwischen Wachbewusstsein und Schlaf. Andererseits, wenn man mit A.T. besser schläft, ist doch auch geholfen.
Weiterhin ist A.T. auch eine gute Methode, die Konzentrationsfähigkeit zu fördern.
Autogenes Training kann aber auch bei Angststörungen, Panikpatienten oder Depressionen eine Möglichkeit bieten, dem Patienten eine Kontrollmöglichkeit über seinen Körper zu zeigen, ihm zu signalisieren: Ich beherrsche meinen Körper. Gerade bei Angst/Panikstörungen spielt der Kontrollverlust bzw. eben die Angst davor eine wesentliche Rolle.(Angst vor der Angst)

Vorab gesagt: A.T. ist nicht jedermanns Sache. Vielen mag wie auch bei anderen Entspannungstechniken diese Art der Entspannung nicht liegen -nach dem Motto:da geh´ ich doch lieber in den Wald Holz hacken, andere erreichen auch nach langem Üben nicht den gewünschten Effekt während der nächste wiederum vor Erreichen des gewünschten Zustandes fest eingeschlafen ist.
Letzteres ist zwar nicht im Sinne des A.T., aber durchaus ja auch ein positives Ergebnis.
 
Andererseits bietet diese Methode ohne grossen Aufwand die Möglichkeit, den Stress des Tages abfliessen zu lassen, dem Körper eine erholsame Ruhepause zu können und Ruhe und Gelassenheit zu finden. Gerade weil es in der Handhabung relativ einfach ist, sollte man es ruhig einmal probieren. Man ist überrascht, wie vorurteilsfrei und neugierig gerade Kinder für derartiges zu begeistern sind.
Und alleine die Beschäftigung mit den Kindern z.B. über die Möglichkeit der Fantasiereisen, in die man nachfolgende Formeln auch einflechten kann, ist allemal empfehlenswert. 

A.T. muss über einen längeren Zeitraum, mit einer gewissen Beständigkeit erlernt werden, nach ein paar kurzen Übungen in der Gruppe sind die wenigsten bereits soweit, selber den gewünschten Zustand des schlafähnlichen Zustandes zu erreichen. A.T. ist ein übendes Verfahren und oftmals wenn auch nicht immer stellen sich Erfolge erst nach längerer Zeit ein. Wichtig ist dabei, sich nicht dem Erfolgsdruck auszusetzen, den man vom täglichen Leben her kennt. Je weniger erfolgsorientiert das Training angegangen wird, um so eher stellen sich positive Erlebnisse ein.

Die Anwendung des autogenen Trainings ist im Prinzip denkbar einfach. Durch sich immer wiederholende Formeln und die Konzentration auf den eigenen Körper wird eine Art Selbsthypnose erreicht, in welcher sich eine natürliche Entspannung einstellt. Es findet sozusagen eine Umstellung statt: Der Körper wird sich selbst überlassen, eine selbsttätige Passivierung führt zu biopsychologischen Vorgängen ähnlich des Schlafes.
Wichtig ist entsprechend umgekehrt, wenn man nach den Übungen nicht einschlafen möchte, eine Rückumstellung. Durch Anspannungsübungen wird das Wachbewusstsein wieder angeregt, der Körper wieder aus der Selbsthypnose herausgeführt. Dies ist sehr wichtig, z.B., wenn man anschliessend  Autofahren muss. Nach den Übungen befindet man sich ja praktisch in einer Art Halbschlaf, ist benommen. In diesem Zustand sollte keine derartigen Tätigkeiten ausgeführt werden.

Die klassischen Übungen verlaufen nach einem festen Muster. Wird die Übung in einer Gruppe unter Anleitung ausgeführt, fängt der Übungsleiter mit einer betont langsam und einschläfernd gesprochenen Einleitung an, die in etwa der folgenden Standardformulierungs gleicht.

-Ziehen Sie bitte Ihre Schuhe aus, lockern Sie Ihren Gürtel oder andere beengende Kleidungsstücke oder befreien Sie Sich von Ihnen, legen Sie Ihre Brille ab, sofern Sie eine tragen.Jetzt legen Sie Sich ruhig und entspannt hin, möglichst auf eine weiche Unterlage, machen Sie es Sich bequem, so das Sie Sich möglichst locker fühlen. Legen Sie beide Arme ganz locker entlang Ihres Körpers, ohne das diese ihn berühren. Winkeln Sie die Ellbogen leicht an, wenn Ihnen dies gut tut. Legen Sie Ihre Handballen ganz locker auf, so dass die Handflächen nach unten auf die Unterlage weisen. Ihre Beine sind locker ausgestreckt, berühren sich nicht, sind nicht überkreuzt. Ihre Füsse sind ganz locker nach aussen gekippt.
Schliessen Sie nun Ihre Augen und konzentrieren Sie Sich auf meine Worte, hören Sie mir einfach zu. Konzentrieren Sie Sich ganz auf die von mir gesprochenen Formeln. und auf den dabei angesprochenen Körperteil.
Sie hören jetzt nur noch auf meine Worte, Nebengeräusche sind völlig gleichgültig, völlig gleichgültig.
(bis zu 3mal wiederholen)
Oftmals wird folgend mit einer Ruheübung begonnen, d.h. der Übungsleiter spricht noch mal einen kleinen Text mit beruhigenden Worten und flechtet dann den Satz “Sie sind ganz ruhig” ein,der 3-6 mal mit Pausen wiederholt wird.

Daran anschliessend folgen die klassischen 6 Übungen. Anfangend mit der Schwereübung wird in einem z.B. wöchentlichem Rhythmus jeweils eine weitere Übung hinzugenommen. In der sechsten Woche würden also alle 6 Übungen komplett gesprochen ( bzw. gedacht). Genauso können die Übungen aber über mehrere Wochen erlernt werden, bis zur 6ten Übung würden dann mehrere
Monate vergehen. Die einzelnen Formeln werden mit Pausen von ca. 10-15sek wiederholt bis zu 6 mal.

Schwereübung

der rechte Arm ist ganz schwer,beide Arme sind ganz schwer,beide Arme und Beine sind ganz schwer,der ganze Körper ist schwer,ich bin ganz ruhig

Wärmeübung

der rechte Arm ist angenehm warm,beide Arme sind angenehm warm,beide Arme und Beine (Füsse) sind strömend warm,der ganze Körper ist strömend warm

Herzübung

das Herz (Puls) schlägt ganz ruhig und gleichmässig,-längere Pausen 25-30sec,ich bin ganz ruhig und gelassen

Atemübung

die Atmung ist ganz ruhig und gleichmässig,-längere Pausen 25-30sec,ich bin ganz ruhig

Sonnengeflecht (Bauch)-Übung

das Sonnengeflecht (der Bauch) ist strömend warm,ich bin ganz ruhig,
Exkurs: das Sonnengeflecht ist der Bereich unter dem Zwerchfell, in dem sich zahlreiche Nerven bündeln: Solar-Plexus

Kopfübung

die Stirn ist angenehm kühl,-längere Pause 25-30sec,ich bin ganz ruhig

Rücknahme

Ich balle meine Hände zu Fäusten,beuge meine Arme fest hin und her,recke und strecke mich.Ich atme tief ein,öffne meine Augen,bin voll im Hier und Jetzt präsent und fühle mich wohl.

 

 

 

 

 

 


 

 Diese Standardformeln werden in der Regel vom Übungsleiter ergänzt oder leicht abgewandelt. z.B.. kann er auch einfügen “wahrscheinlich ist ein Arm schwerer (wärmer)als der andere”, die Einführung kann individuell und an die Gruppe angepasst sein. Speziell bei den Atemübungen kann versucht werden, die Pausen der Atmung der Teilnehmer anzupassen.Diese Formeln sind als Gerüst zu sehen, die individuell aber letztlich auch nur bedingt abgeändert werden können.
Diese Übungen sollen dann letztlich auch alleine Zuhause gedanklich durchgeführt werden können, z.B.. Morgens nach dem Aufstehen oder vor dem Schlafengehen.
Erfahrene AT.ler können diese Übungen in der Mittagspause, im Zug oder bei jeder anderen Gelegenheit durchführen. Letzten Endes entscheidet das Durchhaltevermögen und die individuelle Erfahrung darüber, wie und ob der Einzelne A.T. anwendet.  

Allgemeines:
Bei hyperaktiven Kindern ist diese Methode verständlicherweise nur schwer einzusetzen. Eine Möglichkeit ist aber, vorher körperliche Entspannungs-/Bewegungsübungen durchzuführen (Grimassenschneiden, Zappeln bis auf 10 gezählt wurde,etc) und anschliessend einmal A.T. zu testen.
Wichtig ist bei Kindern, den Sinn dieser Technik zu vermitteln, vor Übungsbeginn alle Einzelheiten verständlich zu erläutern. Hier kann man auch ruhig seine Fantasie spielen lassen. Zieht man dem Kind z.B. bei der ersten Wärmeübung dicke Wollsocken an, hilft man ihm, die gedankliche Erwärmung auch körperlich zu spüren. Oder ziehen Sie Vergleiche herbei.: dein Körper ist strömend warm, stell dir vor, du liegst auf einer Wiese und die Sonne scheint angenehm warm auf deinen Bauch. Oder: der Wind bläst angenehm kühl über deinen Kopf.
Auch ist es möglich, wenn das Kind A.T. “beherrscht” weitere Leitsätze/Zaubersprüche  mit einzubauen und damit aktuelle Probleme anzusprechen. Z.B. “Ich mache meine Sache gut, habe das nächste Mal mehr Mut” Gerade bei Kinder sind solche Sätze in Reimform leicht in das Training zu integrieren.
Einsatz findet AT z.B. auch zur Stressreduktion in Krankenhäusern bei Entbindung, bei Piloten und Flugbegleitern zur Reduzierung der Jetlagfolgen oder auch in Astronautentrainingsprogrammen.

Bitte beachten:
Autogenes Training ist als Entspannungstechnik  gedacht, nicht als Therapie für organisch, seelische Erkrankungen. Es wird aber ebenfalls begleitend in der Therapie eingesetzt. AT kann eine ärztliche Behandlung begleiten, aber nicht ersetzen. Wie bei anderen Entspannungsverfahren können auch hier verdrängte Enttäuschungen, Wut oder Angst zutage gefördert werden durch die Rückbesinnung auf sich selbst. Bei psychiatrischen Problemen empfiehlt sich daher auch hier eine Rücksprache mit dem behandelndem Arzt.
Weiterhin  ist abzuklären, ob evtl. Herzerkrankungen vorliegen, die einem Training entgegenstehen.
Extreme Begriffe wie kalt, heiss sollten generell nicht eingesetzt werden ebenso wie herzschlagverändernde Formeln - mein Herz schlägt langsamer/schneller.

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